Das war dann zunächst eine Vater-Sohn-Aufgabe. Nachdem das große Zittern schon vorher angefangen hatte, weil drei Tage vor Beginn der DM ein Mitspieler aus Johns Triplette abgesagt hatte und Dirk Beckschulte vom PBV doch noch auf die letzte Minute einen Mitspieler organisieren konnte.
Also mit Adrenalin im Blut hingefahren, um 8 Uhr dagewesen. Als erstes mal die Partner suchen. Jessika war mit Ihrem Vater da, die hatten wir schon auf der Autobahn gesehen. Aber eine bange ¾ Stunde kein Lebenszeichen von Dirk und dem dritten im Bunde, Fabian. Zeit genug, um auf der insgesamt ziemlich tollen Anlage von Ratingen Lintorf ein paar Kugeln zu werfen. Und auf der Startliste festzustellen, was man schon wusste: die drei starten als Nobodies ohne Ranglistenpunkte auf dem 24. und letzten Startplatz für die Juniors bis Jahrgang 1995 in der DM Jugend.
Endlich! Alle Spieler sind da und angemeldet, der erste Spielpartner ist gefunden und wenn man zusieht, ist man auch direkt der Coach des Teams. Genützt hat das zunächst nix. Die Pfälzer haben John, Jessika und Fabian erstmal kurz auf links gedreht: 13:2. Da bleiben dann nur ein paar aufmunternde Worte: ihr seid nicht so schlecht wie ihr jetzt denkt! Gut. Runde 2 gegen 3 Mädels aus Niedersachsen. Superspiel, nur nicht für unsere 3. Den anderen ist richtig gutes Boule gelungen. Immerhin: 3 Punkte. Spiel 3 gegen Hessen lief auch nicht besser, aber so langsam kamen die drei ja ins Spiel. Und keiner hat aufgegeben. Super! Aber fürs Ego fehlt jetzt auch mal ein Sieg oder ein paar geile Punkte. Spiel 4 gegen NRW war der Schlüssel dazu. Kommt noch ein bisschen Glück dazu, ein-zwei Löcher vom Gegner. Und das, was so typisch für Boule ist: mentale Verfassung. Da hätte man zeitweise schon denken können: wieso werden die nicht nervös? Der Gegner wurde es. Sieg nach Zeitlimit. Ok. Aber Sieg.
Zwischendurch der Klassiker: Kugeln vertauscht. Immer wieder gern genommen. Mein Gott war ich froh, dass ich immer wusste wo meine waren. Im letzten Spiel der Vorrunde gabs dann nochmal eine kleine Lehrstunde aus Baden-Württemberg. Naja, immerhin war man nach der Vorrunde nicht mehr letzter.
Wer jetzt gedacht hätte: prima, den Rest machen wir morgen, der hatte sich aber geschnitten. Weiter gings mit dem ersten KO-Spiel in der Hauptrunde, natürlich nur noch im B-Turnier. Da waren unsere drei schon fertig mit der Welt: Papa ich will nach Hause. Kurzes Gespräch mit dem Coach vom Team Niedersachen. Denke es geht 13:4 für Euch aus. Nach 7:1 für unser Team ist er gegangen. Was machen die da? Superspieler mit taktischen Megaklöpsen. Unsere drei sind bescheiden. Aufnahme für Aufnahme, Hauptsache Punkt. Boule ist nichts für schwache Nerven. Für meine schon gar nicht. Am Ende kommen sie nochmal ran. Brauchen eigentlich wieder nur 6 Totalschnitzerkugeln von uns. Aber das passiert nicht! Hammer! Achtelfinale! So kann man bei Einbruch der Dämmerung noch fröhlich nach Hause fahren. Am nächsten Tag wollte ich eigentlich selber spielen, aber muss man da nicht dabeisein? Das ist ja nicht irgendein Turnier, das sind die Deutschen Meisterschaften!
Der Sonntag begann schon als ein herrlich sonniger Tag. Man muss pragmatisch denken: je länger man im Wettbewerb bleibt, desto weniger muss man bis zur Siegerehrung warten. Vorher gibt es nämlich die Spiellizenz nicht zurück. Beginnen wir also mit dem Achtelfinale, kurz nach 9 Uhr angepfiffen. Pech nur, wenn wieder einer deiner Spieler nicht da ist. Macht auch den Gegner nervös. Ok, erst mal ein bisschen warten und Kugeln probewerfen. Aber dann muss zu Recht der Schiri kommen und sagen: mit 4 Kugeln anfangen oder alle 5 Minuten 1 Punkt für den Gegner. Einen Punkt haben sie gemacht, dann ist Fabi an Bord. Sie sind ein Team, sie spielen konzentriert, einer steht für den anderen ein. 9 Punkte stehen auf der Uhr. Und dann wieder Geschenke für den Gegner. Am Ende 9:8, glücklich gewonnen aber gewonnen. Wieder nix für schwache Nerven. Halbfinale!!
Der Gegner heißt Hessen. Sie kamen in Rot, aber die Zipfelmütze fehlte für die Weihnachtsgeschenke in den ersten drei Aufnahmen. Da hätte es 13:0 stehen müssen. Totalausfall bei uns. Meine Oma spielt besser Boule. Oder wie der Franzose sagt: Ma grandmere! Allein für diesen Satz lohnt es sich 1200 Kilometer nach Südfrankreich zu fahren. Zum Haareraufen. Gott sei Dank habe ich nicht viele. Egal, die drei haben so viel erreicht. Bei 11:0 haben sie dann angefangen zu spielen. Da hatten die Hessen dann endlich ein Einsehen. Aber, auch wieder der Franzose sagt: pas Fanny. Auch eine Mörderleistung. Keinmal sind Sie komplett untergegangen. Am Ende 3. Platz im B-Turnier der deutschen Meisterschaften. Absolut geil. Zu schön um wahr zu sein. Strahlender Sonnenschein, Traumlogistik von den Ratingern, megageile Currywurst und am Schluss noch nach einem fast dopingfreien Tag (wenn man von den Zigaretten absieht, die auf dem Gelände selbstverständlich nicht gestattet waren) noch ein kühles Altbier zur Belohnung.
Und natürlich die Siegerehrung. Mit einem NRW Jugendmeister. Und einem einzigen weiteren Team aus NRW bei den Juniors: den Nobodies Jessika, Fabian und John. Der übrigens ganz selbstverständlich für Catain Jack Sparrow gehalten wurde, was dem Team NRW 5 auch den Titel „Die Piraten“ einbrachte. Nach dem Motto: „John, du bist der grottigste Boulespieler, von dem ich je gehört habe“. „Aber Ihr habt von mir gehört“. Ja genau, das offizielle T-Shirt gewinnt keinen Schönheitspreis. Da kann man auch piratenmäßig im Trikot der Boulefreunde Wermelskirchen aufs Treppchen steigen und mit der Fahne Lokalpatriotismus zeigen. Bleibt mir am Schluss eines langen, anstrengenden und sonnigen Wochenendes eins zu sagen: ich habe richtig geiles Boule gesehen. Und wenn ich ein gutes Team habe, kann ich auch die Cracks schlagen. Das ist Boule und deswegen sind wir alle süchtig danach.
Euer Matthias